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Rumpelkistengeschichten

Wir lassen uns in einem alten Mahindra Pickup den Ganges flussaufwärts fahren, um eine Wanderung zu machen. Alles an dem klapperigen und doch gut gepflegten Fahrzeug ist irgendwie legendär. Die abseitigen Routen und die vielen Abenteuer, die dieses Auto im indischen Himalaya offenbar gesehen und überstanden hat, sind in vielen Details spürbar. Das Loch in dem der lange Schalthebel im Bodenblech verschwindet, ist verrostet und weit ausgefranst. Neben meinen Füssen blicke ich in die darunter liegenden Gestänge und die stetig und monoton vorbei huschende Schotterpiste. Mein Blick verwischt und meine Gedanken schweifen. 

Mir kommt dieser durchgerostet-abgerockte mosambikanische Kleinlaster in den Sinn. Es ist Mitte 2010. Wir wollen unsere Seefracht aus dem Freihafen von Mosambik abholen. Den lebenswichtigen Passierschein für die Zollkontrolle habe ich beiläufig in eines der Ablagefächer des Lastwagencockpits gelegt. Als wir am Tor zum Hafen ankommen, stellen wir fest, dass der Passierschein weg ist: das Ablagefach war kein Fach, sondern ein offener Schacht in die Innereien des runtergekommenen Lasters. 

Nach kurzer Lagesondierung des Fahrers und des Frachtgutagenten wird beschlossen das Fahrzeugcockpit an Ort und Stelle auseinanderzubauen. Die gesamte Fahrgastzelle wird nach vorne geklappt, und die beiden Herren machen sich an die Arbeit und verschwinden hinter dem Motorblock. Sie kämpfen sich durch öliges Gestänge, blanke Kabelage und rostige Karrosseriewindungen ins Innere vor. Mehrmals kommen sie kopfschüttelnd und schulterzuckend wieder zum Vorschein. Ich besorge inzwischen Refrescos (Softdrinks) für die sichtlich schwitzenden Männer. Dann - endlich! nach bangem Warten, wird wie von magischer Hand von Innen ein Zettel - unser Zettel - durch einen Karrosseriespalt nach Aussen gedrückt und von einem der umstehenden Leute entgegen genommen. Welch Triumph!

Dann rumpelt der Mahindra Pickup ungefedert durch ein Schlagloch und holt mich wieder zurück ins Jetzt im Himalaya. Später erzählt mir der Fahrer, dass dieser Pickup die gute Seele des Unternehmens ist. Der Wagen sei eine der ersten Anschaffungen gewesen, und habe sie noch nie im Stich gelassen. Alles funktioniere mechanisch ohne Elektronik und lasse sich daher gut reparieren und pflegen. 

Ein Hoch auf alle rollenden Schrotthaufen und die Menschen, die an sie glauben. 


Bild: Leidenschaftlich gepflegter Mahindra Pickup der Firma Himalayan Hideways.