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Der Planer mit der Schmodderhand

Sein Name tut nicht zur Sache. Entscheidend ist, dass er Stadtplaner ist. Leidenschaftlich. Und Inder. Vermutlich auch leidenschaftlich. Zumindest trägt er gerne typisch indische Klamotten. Gerne und gerade auch zu offiziellen Anlässen. Wie zu dem Planer-Kongress, den wir beide gemeinsam besuchen, und schon seit einigen Stunden gemeinsam verbringen.

Das opulente Essen zum Abschluss eines langen Kongresstages gehen wir ebenso gemeinsam an. Man steht in lockeren Grüppchen essend beieinander. Den Teller führt und stabilisiert er souverän in der einen Hand, während die andere Hand das Essen dynamisch mit Verve durchmatscht und in schnellen Bewegungen zum Mund führt. Führen tut er außerdem parallel den Diskurs zu indischen Stadtentwicklungsthemen. Die Esshand wird dabei doppelt beansprucht. Neben der Nahrungsaufnahme ist sie voll damit beschäftigt, durch ausfahrende Gesten, seine Argumante zu unterstützen und raumgreifend zu illustrieren. Dann wieder Essen matschen - argumentieren, gestikulieren, Essen zum Mund führen, und von vorne.

Ich bin paralysiert. Und so geht das eine halbe Ewigkeit. Sein leerer Teller ist längs abgestellt, und Viertelstunde um Viertelstunde vergeht, in der er mit der Schmodderhand weiter seinen Diskurs führt. Es ist mir unmöglich ihm noch irgendwie inhaltlich zu folgen. Ich nicke geistesabwesend und aus Höflichkeit in regelmässigen Abständen, während meine Augen gefesselt das Schauspiel der mit Resten von Reis und Sauce verklebten Hand verfolgen. Die Magie der Schmodderhand lullt mich ein und wird erst nach über einer Stunde durch seinen lapidaren Satz durchbrochen: "Ich geh mir mal eben die Hände waschen."