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“Papa, Schulter!”

Es knirscht und kracht in der Wirbelsäule. Meine Knochen verbiegen sich, Muskeln sprengen die Rumpfbekleidung und die Sehnen sind zum Reißen gespannt.

Der kleine (!?) Kiran sitzt mal wieder auf meinen Schultern, weil er vorher lautstark “Papa, Schulter!” gefordert hat. Vielleicht war ihm eine Strecke zum Laufen zu weit, oder er hat einfach Lust auf die gute Rundumsicht von dort oben. Alles nachvollziehbar.

Aber mit zunehmendem Alter (bei Kiran und mir) geht mir das Tragen zunehmend an die körperliche Substanz. Außerdem hält die Überkopfhöhe in indischen Städten besonders viele Unwägbarkeiten und Verletzungsgefahren bereit: blanke Stromkabel, scharfe Metallkanten von Schildern, spitze Ecken und beinharte Betonunterzüge. Das es meine Klamotten von den herunterbaumelnden Schuhen einsaut, versteht sich natürlich als operationeller Standard bei Schultertragaktivitäten.    

Und dennoch - wenn die Aufforderung “Papa, Schulter!” ertönt, kann ich meist nicht “Nein” sagen. Zu schön ist es, meinen kleinen beim Gehen so nah bei mir zu haben, dass es alle Widrigkeiten vergessen macht. Ein kleines Stück des gemeinsamen Weges so gemeinsam gehen zu können, ist eine wunderbare Erfahrung zu der sich auch stets die schöne Erinnerung an meine eigene Kindheit gesellt, als ich selbst bei meinem Vater hoch oben auf den Schultern saß.

Foto: Schulterselfies