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Der mosambikanische Stempel

Stamp
Ein Dokument, ein wichtiger Brief oder ein offizielles Schreiben sind in Mosambik ohne einen richtigen Stempel quasi wertlos. Ein normal unterschriebener Brief oder eine E-Mail an einen mosambikanischen Adressaten gesendet, bleibt in der Regel unbeantwortet. Erst ein Stempel auf dem Schreiben ist der Hinweis für den Empfänger, dass dieses Dokument eine gewisse Dringlichkeit hat, und daher nicht sofort im Mülleimer oder im Ordner für "zu ignorierende Post" landet.  

Fein säuberlich entwarf ich also am Computer einen einfachen Stempel mit Name, Funktion und Titel. Der Ausdruck, oder sogar die Bilddatei, so war ich es von Deutschland gewohnt, könnte dann als Vorlage für die Herstellung des Stempels genutzt werden.

Doch wo in Manica einen Stempel herstellen lassen? Selbst in Chimoio, der nächstgrösseren Stadt, winkten die Besitzer der von mir aufgesuchten Papier- und Schreibwarengeschäfte ab, bzw. schickten mich zu dem jeweils anderen Geschäft. In einem dieser Geschäfte verfolgte ein herumstehender Kunde meinen Wunsch, und bot mir daraufhin an, dass er meine Vorlage mit nach Südafrika nehmen könne, um den Stempel dort herstellen zu lassen. Er würde dort in 3 Monaten seinen Cousin besuchen. Verzweiflung übermannte mich.

Wie eigentlich immer, wies der Zufall einen Weg aus dieser misslichen Situation: schon wieder auf dem Weg Richtung Manica sah ich am Strassenrand in Chimoio einen jungen Mann mit einigen Stempeln vor sich auf dem Boden sitzen. Kurz mustert er meine Vorlage und sagt dann, dass der Stempel in drei Tagen fertig sei und 650 Meticais (etwa 18 Euro) kosten würde.

Als ich eine Woche später wieder in Chimoio bin, finde ich den Stempelmann tatsächlich wieder. Mit einer alten Rasierklinge und einem gehörigen Mass an Geduld, schneidet er aus alten Gummiresten die Stempel und hört dabei wie in Trance versunken mit seinem Handy Musik.          

Nun halte ich also meinen Stempel in der Hand. Einen deutschen Stempelmacher hätte ich höflich gefragt, ob er noch alle Gurken im Glas hat, mir so etwas ernsthaft als Stempel verkaufen zu wollen. Aber ich stehe an einem staubigen Strassenrand mitten in Afrika, und hier überzeugt mich das Ergebnis sofort. Der junge Mann legt meine Stempelvorlage extrem frei aus und lässt so den hiesigen Gestaltungsregeln angenehm viel Raum zukommen. Den ursprünglichen Schrifttyp "Myriad Pro" ersetzt er durch einen Schrifttyp, den ich schon einmal auf den "Weleda" Tuben in einem deutschen Reformhaus gesehen habe. War Rudolf Steiner je in Ostafrika?

Nun sind meine dienstlichen Dokumente nicht nur inhaltlich, sondern auch gemäss den lokalen Anforderungen an Form und Gestalt, hoch offiziell.

Bild: meine Stempelvorlage und das Ergebnis im direkten Vergleich