An den innerstädtischen Bahnhöfen der zwei zentralen Bahnlinien, die auf die Südspitze der Stadt führen, finden sich die höchsten Menschendichten Mumbais. Schon in einem Umkreis von etwa 2 Kilometern um diese Haltestellen herum bemerkt man einen deutlichen Wechsel der Dichte, der Aktivitäten und der allgemeinen Qualität des öffentlichen Raumes. Eine doppelte Reihe aus Geschäften und Ständen drängt sich um den mittigen Strassenraum. Hinzu kommen weitere temporäre Marktaktivitäten wie fliegende Händler. In diesen Vierteln kauft die Bevölkerung einen grossen Teil der Produkte des täglichen Bedarfs zu guten Preisen. Die befestigten gepflasterten Oberflächen sind einer enormen Belastung ausgesetzt, so dass die Stadt inzwischen versucht, diese Bereiche komplett mit einer etwa 40 cm dicken Stahlbetondecke zu versehen.
Die herumstehenden und sich bewegenden Menschen erzeugen hier eine Dichte wie man sie vielleicht in einer deutschen Fussgängerzone am vierten Advent antrifft. Nur dass man noch Tiere, Busse, Autos und Rickshaws addieren muss.
Zur Rush-Hour und im unmittelbaren Bereich der Bahnstationen und an den Bahnsteigen wird dann klar, was Überbevölkerung bedeutet. Jeder Zentimeter ist gepackt mit Menschen. Die Waggons gleichen ohne Türen und mit den vergitterten Fensteröffnungen mehr Stahlhülsen als Zügen aus denen die Menschen herausquellen. Beeindruckend ist, dass sich die Mumbaiker mit all diesen Unannehmlichkeiten offenbar arrangiert haben. Ohne Murren oder gar Kämpfe und Streitereien funktioniert die tägliche Mobilität und das tägliche Leben in diesen Bereichen und unter diesen widrigen Umständen relativ reibungslos.
Zu Besuch in Deutschland sitzen wir im ICE nach Hamburg. Jeder Sitz kann via Internet gebucht und reserviert werden. Eine kleine Digitalanzeige über jedem Sitz gibt Auskunft über den jeweiligen Reservierungsstatus. Die Beinfreiheit und der Komfort der Sitze übertrifft die Annehmlichkeiten wie man sie etwa beim Fliegen hat. Natürlich kennen wir all das, doch im unmittelbaren Kontrast zu Indien fällt es umso mehr auf, besonders in der dann folgenden Szene: Der Sitz neben uns ist offenbar versehentlich doppelt gebucht worden. Zwei Männer streiten aggressiv mit dem Schaffner, der schliesslich einem der beiden Männer einen anderen freien Sitzplatz anbietet. Noch lange nachdem die Situation gelöst ist, brodelt es bei den Reisenden. Lauthals fallen Phrasen wie: "unglaublich", "chaotische Zustände" und "typisch Bahn". In dieser Situation wünschte ich mir einen kleinen Zauberstab zur Hand mit dem ich das Abteil in einen Mumbai Bahn Waggon hätte beamen können.
Foto: Markt im Bereich der Santacruz Station