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TEE oder KAFFEE ?

Chaiwala

Diese Frage hatte sich mir bisher in Deutschland nicht gestellt: der Kaffee am Morgen im Büro oder in der Uni war beim Start in den Tag stets present. Zu wichtig dieser geschmackliche Tritt in den Hintern, der brühwarme Schlag in den Nacken, der braune Turbo für den Blutdruck. Mit dem indischen Chai verschiebt sich diese deutliche Kaffeepräferenz zusehends. Die asiatische Getränkekonkurrenz schläft nicht und was die Chaiwalas (die Teekocher) zu brauen und köcheln im Stande sind, hat es wahrlich in sich. Grund genug die Arena zu eröffnen für den Chai gegen Kaffee Direktvergleich in den vier Schlüsselkategorien Aussehen, Duft, Geschmack und Wirkungsweise.

Aussehen

Du denkst "Crèma" kann nur Dein Senseo Kaffeeautomat? Du irrst Dich: ein frisch gekochter Strassenchai hat eine aus hellbraunem Tee-/ Milchschaum bestehende Crèma so fein und zart wie frisch gefallener Schnee im Himalaya. Dazu wird der Chai beim Kochen mit einer Kelle durch die Luft gewirbelt. Ein guter Chai verbringt mehr Zeit in der Luft als im Topf. Der Rest ist eine Frage des Behältnisses. Typisch sind die kleinen weißen Becher aus dünnstem Plastik, die jeder Chaiwala im Hunderterpack in der Hemdtasche bei sich trägt. Ja, es sind genau die Becher, die beim Monsun zu hunderttausenden die Regenwasserkanäle verstopfen.

Fazit Aussehen: unentschieden

Duft

Sonntagnachmittag. Der Duft eines deutschen Filterkaffees bringt immer auch die Erinnerung an das Kaffeekränzchen bei Verwandten mit sich. Diese mischt sich mit den Aromen der Pfirsich Marakuja Buttercreme Schnitte und der Dosenkondensmilch. "Junge, nehm doch noch ein Stück vom Bienenstich." Der Chai hingegen duftet nach Hinterhof und staubiger Seitengasse. Über der offenen Gasflamme rühren drei schwitzende Männer in Unterhemden in einem Topf, der schon lange kein Spülbecken mehr gesehen hat. Aromakruste. In den umliegenden Wohnungen wird gekocht. Überall brutzelt und blubbert es. Der verwegen betörende Duft hunderter Gewürze vermischt sich mit dem Rauch der Räucherstäbchen, dem Gesang des Muezzins und dem Knattern der Motorrickshaws, um sich mit dem Aroma des Tees zu vereinen.

Fazit Duft: wieder unentschieden

Geschmack

Chai hat eine relativ konstante Geschmacksnote zu bieten, die sich je nach Machart hauptsächlich in der Dominanz einzelner Gewürze unterscheidet. Mal ist ein Chai eher zimtlastig, ein anderes Mal dominiert der Kardamom und wieder ein anderes Mal die Nelke. Aber immer ist er sehr süß und wuchtig durch den starken Schwarztee und die Milch. Die Bandbreite der zu entdeckenden enthaltenen Aromen ist denen des Kaffees haushoch überlegen. Kaffee bietet dem Komsumenten eindeutig mehr Einflussnahme vor dem Verzehr. Mit oder ohne Zucker? Milch? Milchschaum? Auch das Herumspielen mit diesen zusätzlichen Zutaten kann rituellen Charakter bekommen und Einfluss auf den Geschmack haben. Aber Kaffee schmeckt halt immer nach Kaffee.

Fazit Geschmack: Chai hat mehr zu bieten. Punkt für Chai.

Wirkungsweise

Vergiss den Markenkaffee und schmeiß doch bitte mal den Dosierlöffel weg. "Kaffee - kräftig" von Lidl oder Aldi direkt aus der Packung in deine Tasse mit heißem Wasser und fertig ist der Hammer mit dem du deinem müden Brägengebälk den morgendlichen Richtspruch verpasst. Chai macht fit und frisch, aber Tote erweckt er nicht zum Leben. Da müsste man den Chai schon mit Chili zubereiten...macht hier aber keiner.

Fazit Wirkungsweise: Punkt an Kaffee

Gesamtfazit

Mein Kaffeekonsum ist hier deutlich gesunken, einfach weil Chai ähnliche Qualitäten hat und täglich frisch vom Strassenchaiwala direkt an den Schreibtisch gebracht wird. Für medizinische Zwecke, zum Bekämpfen eines beginnenden Kopfschmerzes etwa, ist Kaffee nach wie vor unschlagbar.