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GUT FRISIERT

hairstyle

Mein erster indischer Frisörtermin führt mich auf Anraten meiner (stets gut frisierten) Studentinnen zu einem der angesagten Bollywoodfrisöre der Stadt. Der Laden heißt "Bottlegreen". Hier gehen die Stars ein und aus. Die Wände sind zartgrün in Schwämmchentechnik betupft. Der Trockenblumenstrauß auf dem Designer Beistelltischchen ist farblich abgestimmt mit den topmodernen Frisiersesseln. Ich zahle 600 Rupees (ca. 10 Euro) für einen wohlgestalteten Innenraum, eine feste Terminzusage, jede Menge Smalltalk und einen mäßigen Haarschnitt, der nach jung und hip aussehen soll. Immerhin: der Sohn der Friseuse konnte als Kunde für Shantis Malschule gewonnen werden.


Mein zweiter indischer Frisörtermin führt mich schließlich in eine kleine Seitengasse zu einem Laden, den die Rickshawfahrer bevorzugt aufsuchen. Ein Freund hat ihn mir als "einfach und gut" empfohlen. Termine werden hier nicht gemacht- man geht hin und bekommt seinen Haarschnitt. Beim ersten Besuch zur Mittagszeit finde ich den Salon geschlossen vor, sehe jedoch durch das Fenster vier Männer auf engstem Raum auf dem Boden und auf einer Bank schlafen. Man bemerkt mich und deutet mir per Handzeichen an, in einer halben Stunde wieder zu kommen.


Als ich dann später schließlich den offenen Laden betrete, empfängt man mich respektvoll - ausländische Kundschaft ist hier nicht alltäglich. Der Raum ist keine 2 Meter breit und etwa 5 Meter tief. Eine Wand ist verspiegelt und mit zwei alten Frisiersesseln versehen. An der anderen Wand dient ein schmales Brett als Wartebank bzw. als Spielfläche für den Sohn vom Chef. Für Unterhaltung sorgt ein Fernseher, der unter der Decke angebracht ist und pausenlos alte indische Actionfilme zeigt, sowie drei Fische in einem trüben Aquarium, welches zwischen den beiden Frisierstühlen vor dem Spiegel steht. Chef ist ein haariger Hüne im Feinrippunterhemd, der seinen einzigen Angestellten anweist, mich zu bedienen.


Der junge Mann mit wachem Blick gibt gleich mit seinem ersten Satz sein Frisurenrepertoire preis, während er mir mit flinker Geste in die Haare greift: "Short- or not-so-short?" Ich kann wählen zwischen den Optionen "kurz" und "nicht so kurz" und entscheide mich schließlich für "kurz". In beeindruckender Geschwindigkeit mäht der Frisör mit Kamm und Schere durch meine Haare. Er macht dabei geschätzte fünf Schnitte pro Sekunde, von denen jedoch maximal die Hälfte effektiv ist: die uralte Schere quietscht und klappert hörbar und läßt jeden zweiten Schnitt aus. Dennoch: nach kaum zwei Minuten ist der erste Scheitel fertig und der Rest geht in ähnlich flinker Manier.


Am Schluss wird mit blank gezogener und frei stehender Rasierklinge im Nacken und um die Ohren rasiert. Dabei ist er genauso zügig, wie zuvor mit Kamm und Schere. Ich konzentriere mich aufs Aquarium und singe ein innerliches "Om". Nach aufmerksamer Umsorgung aller weiterer haariger Gesichtsstellen (Ohren, Brauen...) werden die rasierten Stellen noch gepudert und schon ist der Haarschnitt fertig.


Inzwischen war ich nun schon drei Mal bei diesem Frisör. Ich zahle 40 Rupees (0,6 Euro) und das Resultat ist akkurat: ich sehe danach immer aus wie ein Rickshaw-Fahrer, und das ist doch was !